Seit frühester Jugend habe ich ein Interesse für verschiedene „Nischensportarten”. Eine große Leidenschaft bildet der Hockeysport. Schnell, intelligent und ein verhältnismäßig komplexes Regelwerk zeichnen den Sport ebenso aus, wie die sehr friedliche, nahezu familiäre Fankultur. Ein für mich stimmiges Gesamtpaket. Bis vor einigen Jahren war es recht schwierig, den einzelnen Spielen zu folgen. In den Massenmedien ist er bis auf große Tourniere leider nicht präsent. Vor wenigen Jahren begannen Vereine damit, ihre Spiele regelmäßig(er) auf YouTube zu streamen. Das war sehr erfreulich. So konnte Hockey auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der Sportart haftet an, recht elitär, teuer und wenig divers zu sein.
Dem kann ich zustimmen. Schon die Mitgliedsbeiträge bei den bekannteren Vereinen sind verhältnismäßig hoch. Auch die Ausrüstung ist im Vergleich zu anderen Sportarten teurer. Einige beklagen diesen Umstand, andere möchten gerne an ihm festhalten. Ich selbst nehme hier eine gemäßigte Position ein und bin froh, dass der Sport weniger divers ist und dadurch keine Klientel anzieht, wie beispielsweise der Fußball. Ich weiß aber auch, dass es so mit der Akquirierung von Nachwuchs schwieriger wird. Die kostenfreien Livestreams sind nach meinem Dafürhalten eine gute Möglichkeit gewesen, den Sport einer breiteren und jüngeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aber wie das so ist, es musste natürlich nach einem Weg zur Monetarisierung gesucht werden. Und die meisten Dinge, die von sich aus gut (wenngleich langsam) wachsen, werden hierdurch oftmals sehr viel schlechter. YouTube selbst ist ein schönes Beispiel dafür.
Um einen besseren Überblick über die Bedürfnisse beim Livestreaming zu erhalten, wurde eine Umfrage „[…] überwiegend [unter] „aktive[n] Spieler[n]/Staff und Mitglieder[n] sowie deren Verwandten“ durchgeführt. Die Ergebnisse können im “Meinungsbild zum Hockey Livestreaming 2025“ eingesehen werden. Ich meine mich zu erinnern, dass auch die Deutsche Hockey Zeitung (DHZ) dazu einen Beitrag hatte, kann ihn aber leider nicht mehr finden. So bin ich auf die verlinkte Vereinsquelle1 angewiesen.
Die meiner Meinung nach wichtigen Erkenntnisse dieser Umfrage sind:
[…] Also, ideal sind eine App gleichermaßen für Tablet, Phone und Smart-TV, die geografisch unabhängig auch am Urlaubsort funktioniert.
[…] Also, YouTube ist gesetzt. Kostenlos und einfach auf jedem Gerät und funktioniert an jedem Ort und als Add-On die Bündelung auf hockeyliga.live.
[…] Also, Replay, eine ruhige Kameraführung und kostenloses Angebot, sind die entscheidende Eckpfeiler für den Erfolg der Hockey-Livestreams.
Ich denke der Wunsch nach einem kostenfreien, qualitativ hochwertigen, Plattform und geografisch unabhängig nutzbarem Angebot ist deutlich.
Was aber bekam die Hockeygemeinde? Ein verhältnismäßig hochpreisiges Abonnement beim führenden Anbieter für „Hetzblätter” in Deutschland, der Axel-Springer-Verlagsgruppe, das die meisten Spiele hinter einer „Paywall” versteckt. Die Apps/Webseite sind/ist minderwertig, das Programm ist/wird von Werbung durchzogen sein. Downloads sind nicht möglich und die Nutzung im Urlaub ist lediglich bis zu 30 Tage gestattet. 10 Prozent der Einnahmen werden eigener Aussagen zufolge2 in die Nachwuchsförderung investiert, sofern der Abonnent diese Option aktiviert. Ein größeres „Fuck you“ ist schwer vorstellbar.
Es stellt sich schon die Frage, wie dieses Konzept/diese Partnerschaft dem Wunsch, den Hockeysport in Deutschland bekannter, attraktiver und weniger elitär zu machen, zweckdienlich sein kann. Wer, außer ohnehin Hockey-interessierten Personen, schließt ein Abonnement für 15 Euro im Monat ab, um in eine Nischensportart „reinzuschnuppern“. Wie will man ein junges Publikum hinter einer Paywall begeistern oder auch nur erreichen? Das Konzept ist nach meinem Dafürhalten von vorne bis hinten nicht schlüssig und erweist dem Hockey in Deutschland einen Bärendienst.
Über die „Für Hockey […] wahrlich einmalige Chance“ hat sich die DHZ auch mit “[…] Hockeyliga-Geschäftsführer Victor vom Kolke (37) und Vizepräsident Medien & Kommunikation Valentin Heyl (36) unterhalten.“ 3
Heyl betont: “Wir alle sind 2021 beim Final-Four in Mannheim ein ordentliches Risiko eingegangen, als wir beim Mannheimer HC den großen Versuchsballon gestartet haben, das Event vom damals ganz jungen Sender Trops4 auf twitch.tv (aus dem dann Spontent hervorgegangen ist) übertragen zu lassen. […] Im Nachhinein lässt sich sagen, dass das für Hockey ein gelungener Start war, in eine neue Medienzeit aufzubrechen und dadurch auch neue, junge Zielgruppen medial für Hockey zu gewinnen. […]“
Auch ich habe die Veranstaltung seinerzeit verfolgt und war angetan. Sie konnte aber nur deshalb gut angenommen werden, weil sie kostenfrei auf Twitch übertragen wurde. Hinter einer Bezahlschranke hätte sie sicherlich weit weniger Zuschauer gehabt.
Die Aussage Heyls, „[…] dass alle Spiele der 1. Bundesliga Feld gestreamt werden. […]“ impliziert den Ausschluss der Hallensaison. Das Abo verteuert sich also im Verhältnis zu den aktiven Spieltagen und wird dadurch noch unattraktiver.
Auch den Interviewern der DHZ entging die Paywall-Problematik nicht:
„Nach einem Jahr des freien Zugangs wird – so war es in einer Kritik zu lesen – Hockey bei DYN „hinter der Bezahlschranke verschwinden“. Ist das nicht kontraproduktiv zum Ziel der erhöhten Sichtbarkeit und der erhofften Steigerung der Zuschauerzahlen?”
Heyl: “Ich glaube, dass durch unsere Zusammenarbeit mit DYN die Sichtbarkeit von Hockey in den frei zugänglichen Medien steigen wird.“ Wie genau das funktionieren soll, ergibt sich aus folgenden „Wortwolken“: „Es ist ja kein Geheimnis, dass DYN eine Mehrheitsbeteiligung des Springer-Verlags mit entsprechend auflagenstarken Produkten hat. Nicht außer Acht lassen darf man auch die Möglichkeiten der Nachverwertung, beispielsweise Highlight-Zusammenschnitte auf einem höheren technischen Niveau als bisher. Außerdem wird es auch über das erste Jahr hinaus ein frei empfangbares Hockeyspiel pro Spieltag bei Damen und Herren geben. Aber ja: Wer jedes Spiel seines Lieblingsvereins in voller Länge sehen will, der muss nach dem ersten Jahr eine Zugangsgebühr bei DYN bezahlen. In meinen Augen ist das nur logisch. Wir wollen den Standard heben, aber irgendwer muss diesen Standard auch finanzieren. Und DYN, das investiert, möchte auf Dauer damit Geld verdienen. In diesem Fall durch Zuschauer, die für den Zugang zum Angebot bezahlen müssen.[…]“
Meiner Ansicht nach ist die Aussage auch nicht vollständig. Werbeblöcke sind bereits fest eingebaut, wenngleich sie bisher nicht bespielt wurden. Das heißt, als Abonnent bin ich auch noch dazu gezwungen, mir Werbung anzuschauen. Ich erhalte also das Schlechteste aus beiden Welten: Abo und Werbung: Und wie der Axel-Springer-Verlag mit Notwehr gegen invasive Werbeanzeigen umgeht, kann man in der Presse seit Jahren verfolgen.
Heyl rechtfertigt weiter: „[…] Es ist ja im Übrigen auch kein Abo nur für Hockey, sondern für die ganze Plattform. […]”
Gratulation, jetzt muss ich den „Mist”, den ich nicht gucken möchte, auch noch finanzieren. Was kann ich mir mehr wünschen? Da spende ich den Betrag für die spielfreie Zeit lieber direkt für die Nachwuchsförderung oder suche mir eine andere Nischensportart, die mir die Freude am Sport nicht verleidet.
Anmerkung: Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Springer-Verlagsgruppe für einen der verabscheuungswürdigsten Verlage der deutschen Nachkriegsgeschichte halte. Meine Meinung zum Sportsender ist daher garantiert negativ beeinflusst. Unabhängig von meinen offensichtlichen Seitenhieben, glaube ich jedoch, ist die Kritik an der Partnerschaft valide. Jede zusätzliche Hürde, die zwischen einem potenziellen Zuschauer und seinem Ziel steht, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass dieser vor Erreichung des Ziels abspringt, bzw. sich gar nicht erst auf den Weg dorthin macht.
In Zeiten, in denen Unternehmen scheinbar für jede noch so kleine und irrelevante Dienstleistung Abogebühren verlangen, muss es nicht wundern, dass die Bereitschaft der Konsumenten sinkt, eine weitere Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Und so glaube ich, dass der Hockeysport zum Besseren oder Schlechteren in seiner Nische verbleiben wird.
/sl
Quellen: